Frohes Neues Jahr,
ich finde, am 12. Januar darf man das noch sagen. Auch wenn mein Business-Partner Tobias steif und fest behauptet, dass der deutsche Knigge den 10. Januar als letzten Tag für einen Neujahrsgruß empfiehlt.
Aber lasst uns nicht um den heißen Brei herumreden. Ich fand die paar Tage 2025 bisher schon genau so dystopisch, wie ich es 2024 vermutet habe. Und dabei ist Metas atemberaubende Rückgratlosigkeit, Trumps memehafte Grönland-Besetzung und der Bundestagswahlkampf nur die Spitze des Eisbergs. Lasst uns ehrlich sein: Das wird ein weiteres hartes Jahr. Und wir alle werden hart arbeiten müssen.
Aber es gibt auch eine andere Wahrheit: Was auch immer dich glücklich macht - ein Buch, eine Nacht im Club, ein Steak, Kinder oder Reisen - do it. Mich macht unter anderem schreiben ziemlich glücklich, weil man dadurch so schön seine Gedanken kanalisiert bekommt. Und deshalb freue ich mich heute auf ein weiteres Jahr mit davaidavai. Danke, dass du das hier liest.
Die Struktur dieses Newsletters wird wohl in ewiger Bewegung sein. Deshalb habe ich zum Jahresanfang ein paar kleinere strukturelle Experimente integriert. Ansonsten hoffe ich, dass Nummer 146 Freude macht und mal wieder interessante Links dabei sind.
Auf ein Neues
P.S. Wer diesen Newsletter weiter empfieht, wird von mir ins Nachtgebet eingeschlossen.
Fokus Thema: tiktok Ban in den USA
Ein hartes Jahr scheint es vor allem aber auch für tiktok zu werden, was subjektiv erstmal gut ist. Über das am 19. Januar 2025 drohende tiktok Verbot und die auffällige Stille in der deutschen Creator Bubble dazu habe ich hier Ende Dezember etwas in der absatzwirtschaft geschrieben. Ich verstehe immer noch nicht ganz, warum das hierzulande null Thema zu sein scheint. Aber hey, Politik ist ja auch nicht so spannend. 🤷♂️🤡🤡🤡
Aktuell wird das Verbot, weil seit Freitag noch ein weiterer entscheidender juristischer Waypoint genommen: der US Supreme Court hat eine Anhörung durchgeführt, die sich um die Frage drehte, ob ein Gesetz noch gestoppt werden kann, das tiktok faktisch heute in einer Woche verbietet: Das sieht nicht so aus - der Supreme Court scheint klare Präferenzen dagegen zu haben. Und nun könnte es tatsächlich sein, dass am 19.1. tiktok der 🔌 in den USA gezogen wird. Das wird wild.
Strategien
Was wir tun, um das zu erreichen, was vor uns liegt.
Das Ende der Big Advertising Air Power (Marketing Week)
🔥 In UK hat Catherine Kehoe, Chief Customer Officer der Nationwide Bank, letztes Jahr bei der Verleihung der IPA Effectiveness Awards eine sehr lesenswerte Predigt über die Zukunft des Marketings gehalten, die man hier lesen kann. Eine Brandrede für die Industrie. Darauf aufbauend hat Tom Roach einen sehr guten Artikel über die Transformation von Big Advertising geschrieben. Weg von - sorry für die Militärmetaphern - “Air Power” hin zu “Guerilla Warfare”.
The New Rules of Media (One Thing Newsletter)
📰 Ein lesenswerter Artikel über die angeblich neuen Regeln im Medien-Business. Subjektive Meinung: Artikel mit Titeln wie “New Rules of X” sind oft Schrott. Aber dieser Post ist trotzdem ganz gut: Eine gut durchdachte Analyse, obwohl in Sachen Tonalität und Dramaturgie manchmal der Chrom gnadenloser Selbst-Promotion durchblitzt. Man mag es ihm verzeihen.
Märkte
Texte über den Austausch von Gütern und Dienstleistungen.
Walmart: Der Fluch des kommenden Abschwungs? (The Atlantic)
🛒 Walmart galt in den USA immer als Beispiel für effizienten Konsum: Durch seine billigen Preise galt der Mega-Retailer lange als Preis-Leistungssieger und damit auch als Champion lokaler Communities. Das könnte allerdings falsch sein. Zwei Studien legen gerade nahe, dass Walmart überall dort neue Stores eröffnet, wo der Abschwung vor der Tür steht - und ihn forciert.
TikTok: 2024 DER Katalysator für Food-Trends (Fast)
🥗 Dubai Schokolade war nur der Anfang. Von Sleepy Girl Mocktail bis Hear Me Out Cake – TikTok hat sich 2024 als Katalysator für Food Trends etabliert. Gerade visuell ansprechende Trends funktionierten dabei scheinbar ganz gut - und natürlich alles, was schnell dreht, wenig nachhaltig und bald wieder weg ist. Die Food Industrie stellt sich auf mehr davon ein. Mal schauen, was am 19. Januar passiert.
Creative
Lieblings-Kreativbeiträge und -produkte der letzten Tage
Spotify: Unsere Angestellten sind keine Kinder
🎧 Wer gerade einen bolden Ansatz in Sachen Employer Branding sucht. Hier ist er: Spotify plakatiert seine „Work from Anywhere“-Policy entlang der größten Flächen in den USA, um dem “Return to Office” Trends entgegenzuwirken, der auch in der Agenture Welt gerade um sich greift. Wer zur “Anpassung der Return to Office Regeln” noch ein passendes tiktok sucht, hier ist es.
Ein Folder voller Kreativ-Anleitung (LinkedIn)
📂✨ John Long ist ECD bei Digitas USA und offenbar ein recht cooler Typ. Seine ziemlich lesenswerten „How-to-Decks“ voller Tipps und Tricks für Kreative hat er in einem Google Drive Folder geteilt. 💡 Perfekt für alle, die Inspiration oder Guidance im kreativen Prozess suchen. Danke, John.
“There’s More to Imagine When You Listen” (Audible)
🎧🚗 Audible macht den nervigen Alltagspendelweg zur Bühne für große Geschichten. Warum auch auf die U8 konzentrieren, wenn man sich mit einem Hörbuch einfach in eine andere Welt beamen kann? Supersimpler Insight für diese spezielle Nische, in der Audible ganz groß ist.
“Floral” (adidas)
🌸 Der Spot ist schon vier Monate alt. Irgendwie ist er trotzdem an mir vorbeigegangen. Jaaa, I get it. Jeder große Marke muss mit AI Spots experimentieren - das geht gar nicht anders. Aber irgendwie fühlt sich das trotzdem alles so artifiziell an. Oder geht nur mir das so?
67 kreative Kampagnen aus 2024 (John Kovacevich)
🎯 Wer sich – wie ich – aus Weiterbildungsgründen gerne Kampagnen ansieht, findet hier eine großartige Liste. John Kovacevich hat 67 internationale Kampagnen aus den letzten sechs Monaten des alten Jahres zusammengetragen, die hoffentlich inspirieren, provozieren und einem wieder mal die feine Kunst des Storytellings nahebringen.
“Open Your Mouth Mind”: Deutscher Döner goes USA (Ads of the World)
🥙🇺🇸 GDK (German Doner Kebab), eine vor allem in UK tätige Fast Food-Kette, will nun auch in den USA Döner nach deutschem Rezept verkaufen. Für die meisten Amerikaner:innen ist das erstmal sehr konfus. Döner ist da eher Sammelbegriff für Mideast-Food am Spieß. Aber was das mit Deutschland zu tun hat? "Open Your Mouth Mind" soll es erklären. Wenn auch mit einem Storytelling, für das ich zu alt bin.
Design und User Experience
Über gute Nutzer:innenführung und Gestaltung - oft recht praktisch.
State of UX 2024: Ein Trendreport im Manifest-Format (UXDesign.cc)
📐 Und noch ein Trendreport aus dem alten Jahr, diesmal in Manifest-Form: UXDesign.cc veröffentlicht seinen letzten Bericht über den State of the UX Industry. Enthalten sind viele gute Insights und definitiv ein paar schlaue Gedanken zu den Herausforderungen und Möglichkeiten der UX-Branche.
Individuelle Skills, die bei Adobe nach oben führen (Adobe Design)
🎨 Karrieren verlaufen nicht gleich - gerade im Design im 21. Jahrhundert. Adobe beschreibt deshalb hier, welche individuellen Skills es braucht, um bei ihnen Design Principal zu werden. Ein lesenswerter Artikel, besonders für Menschen am Anfang ihrer Karriere, die sich selbst noch etwas kennenlernen müssen - und das mit Blick auf die nächsten Schritte, die vor ihnen liegen.
Midjourney kann jetzt Moodboards (LinkedIn)
🎨 Midjourney kann jetzt Moodboards bauen. Fantastisch, oder? Rory Flynn hat auf LinkedIn erklärt, wie er mit dem neuen Feature umgeht. Nicht ganz unkomplex, aber ich teste das mal...
Illinois sucht ein neues Flaggen-Design (Fast Company)
🏴 Der US-Staat Illinois gibt sich eine neue Flagge und startet dafür einen offenen Design-Pitch. Derzeit gibt es 5.000 Einreichungen und 10 Finalisten, die in einem Online Voting dann zum Ziel führen könnten, auch wenn die Entscheidung nicht bindend ist.
Vintage Werbung: Protection Ball
Nicht immer ganz zeitgemäße Kommunikation aus der bösen alten Zeit.
🚗 Das Jahr ist 1955. Du fährst als Kind im Cadillac deines Vaters durch Tennessee. Natürlich gibt es keinen Kindersitz, natürlich gibt es keinen Anschnallgurt. Aber es gibt den Protection Ball. Daran kannst du dich festhalten, um kurz vor dem Aufprall Sicherheit zu finden.
AI
Subjektiv lesenswerte Artikel über AI
The Rise of the AI-Powered Consumer (Prophet)
🤖 AI verändert die Consumer Journey. Und: Konsument:innen adaptieren Generative AI scheinbar mittlerweile schneller als viele Unternehmen es glauben. Laut diesem Report von Prophet sollten Marken diese Dynamik für Wachstum und Innovation nutzen und sich schneller auf eine AI Ära vorbereiten als in vergangenen Innovationszyklen. Das klingt schlau.
“Stop Hiring Humans”: KI-Kampagne sorgt für Empörung (Gizmodo)
👹 Megasympathisch. In San Francisco hat das AI-Startup Artisan mit seiner Kampagne “Stop Hiring Humans” eine Art komunikative Red Line in Sachen AI überschritten. Artisan verglich Mensch und Maschine und machte den Punkt, dass AI nie widerspricht und nie krank ist, Menschen aber schon. Wie man erwarten kann, waren einige Menschen in San Francisco nicht ganz so happy darüber. Aber seien wir ehrlich: das war ja auch Teil der Kampagnen-Idee von Artisan, sonst würde ich hier in Schland gar nicht darüber bloggen. Eine kleine Stimme flüstert mir aber, dass ich diese Argumentation nicht zum letzten Mal gehört habe.
Meta experimentiert mit extrem weirden AI Influencer:innen (Inc.)
Neben der Mutation zum Steigbügelhalter der Rechtsextremen macht sich Meta auch in anderen ethischen Dimensionen zum Lauch. Meta führte Ende letzten Jahres einige AI Influencer:innen ein. Möglicherweise als Test. Möglicherweise auch als künstliche Engagement Katalysatoren. Darunter war bis Anfang des Jahres auch der Account himamaliv. Wie der Screenshot unten zeigt, hat sich die virtuelle Dame nützlich gemacht und für die Community gesammelt. Den ganzen Tag hat sie Kleider gebündelt, sortiert und an die Ärmsten gespendet. Wenn da nur nicht diese eine dumme Sache wäre: Sie ist AI, die Kleidung ist AI und auch die Sammlung ist AI. Nichts davon ist passiert. Black Mirror in full effect. Happy 2025.
Plattformen
Artikel über Big Tech, die ich gerade spannend fand.
Zuckerberg überdehnt sein Rückgrat bei Joe Rogan (Axios)
📉 Mark Zuckerberg hat diesen Januar auf jeden Fall den Kieser-Training Orden am Bande verdient: für das verdehteste Rückgrat überhaupt. In diesem Joe Rogan-Interview von gestern windet er sich um Vorwürfe, Facebook hätte auf Druck der Biden-Kampagne Inhalte zensiert und bezeichnet sein eigenes Fact-Checking als Orwellesk. Trumps Bubble gefällt’s. Der Rest? Dystopisches Fremdschämen.
PocketFM: Geschichten vom großen Glück (The Verge)
🇮🇳 Die indische Storytelling-App PocketFM geht auf dem Subkontinent gerade durch die Decke. Ihr Erfolgsgeheimnis: Ein unendlicher Stream märchenhafter Audiogeschichten über Menschen, die über Nacht reich werden und überraschend ihr großes Glück finden. Ein bißchen Bollywood, ein bißchen AI, ein bißchen Creator Economy - und ganz viel Indien.
TikToks CO₂-Bilanz übersteigt die von Griechenland (The Guardian)
🌍 Eine neue Studie zeigt: TikToks jährlicher CO₂-Fußabdruck ist wahrscheinlich größer als der von Griechenland. Der durchschnittliche Nutzer verursacht Treibhausgase, die etwa einer zusätzlichen Autofahrt von 123 Meilen pro Jahr entsprechen. Vielleicht ja nicht mehr lange.
Schlaue Karten: Indiens Bevölkerungsdichte
🇮🇳 Und wo wir gerade bei Indien waren: Das seit kurzem bevölkerungsreichste Riesenland der Welt (1,429 Milliarden Einwohner, China 1,2 Milliarden) hat das Gros seiner Bevölkerung im Norden konzentriert. Also auch dort, wo die verfeindeten Nachbarn Pakistan und China sind. Spannende Karte.
Wahre Geschichte
Alles, was ich interessant fand aber sonst nirgends einordnen kann.
I’m not a look-alike! (DeMilked)
📸 François Brunelle, ein kanadischer Fotograf, hat in den letzten 20 Jahren 250 Paare von vermeintlichen Doppelgänger:innen fotografiert, ohne, dass diese miteinander verwandt sind. Seine Serie I’m not a look-alike! zeigt, wie ähnlich sich völlig Fremde sein können. Ein spannendes Projekt über Identität und Zufall.
American (Robin De Puy, WeTransfer)
📸 Die Fotografin Robin de Puy hat sich aufgemacht, die Menschen hinter dem großen, tollen, widersprüchlichen, kranken, faszinierenden Land USA fotografisch zu kartografieren. Das Ergebnis: eine wirklich faszinierende Reise zu den Amerikaner:innen. Präsentiert und dokumentiert übrigens von WeTransfer als Kultursponsor.
Inner City Life: Goldie blickt zurück auf den 90s-Klassiker (DJ Mag)
🇬🇧 Als Goldies Drum’n’Bass Klassiker Inner City Life 1995 rauskam, war eine 90er Hymne erfunden. Alles passte. In diesem grandiosen Interview spricht Altmeister Goldie über die Genese des Tracks und wie sein Debütalbum Timeless die 1990er endlich cool machte. Guter Typ.
“It’s probably me” (Gregory Porter, Polar Music Prize)
❄️ Und wo wir gerade bei guten Typen sind: Wenn Gregory Porter bei einem Musikaward in Stockholm vor der schwedischen Königsfamilie und Sting plus Ehefrau den Klassiker “It’s probably me” performt, ist das schon was besonderes. Die Performance ist schon ein paar Jahre alt. Aber der Song ist auf meiner lebenslangen Karaoke Liste immer noch ganz weit oben. Und Porters Interpretation ist mega.
Das findet scheinbar auch der geehrte Sting und seine Ehefrau Trudie Styler, wenn man ihren Gesichtern folgt. Obacht: Das war an diesem Festabend vor Königs wohl nicht zwingend normal. Bei dem eher….äh….experimentellen Cover von “Every Breath You Take” des Sängers Jose Feliciano erlebt man Sting, wie er sich gepeinigt durch die Performance schleppt.
Übrigens: Der Song “It’s probably me” war eigentlich auf dem Soundtrack für Lethal Weapon 3 im Jahr 1992, eingespielt von Sting, Clapton und Michael Kamen. Wer auf den Text hört, hört eine Ode an den besten Freund, den man in einer widerspenstigen Welt haben kann, sich selbst. Deshalb mag ich diesen Song auch für den Einstieg ins Jahr 2025 mitgeben, denn da steckt viel Wahrheit drin auch für herausfordernde Zeiten und wie man mit ihnen umgehen sollte.
Guten Start euch allen.
Danke für deine Aufmerksamkeit. Noch ein Beitrag in eigener Sache:
Wer diesen Newsletter mit Freund:innen und Kolleg:innen teilen mag: sehr gerne. Weiterschicken genügt - hinter dem Button unten 👇 kann sich jeder in die E-Mail Liste eintragen.
Wer davaidavai mag, darf diesem Newsletter sehr gerne auch ein Internetherzchen geben, das hilft mit dem Algorithmus. Ich freue mich immer über Feedback unten im bereits erwähnten, davaidavai Chat. Wer mir generell auf Substack folgen will, kann das hier tun. Auf LinkedIn findet man mich hier.
Dieser Newsletter repräsentiert übrigens zu 100% meine persönliche Meinung.
Moin Gerald, bin Newbie beim Newsletter. Ich bin wirklich beeindruckt von der Qualität und umfassenden Themenauswahl. Top und Danke für die Inspiration! VG Sören
Happy new year 🙌🏻 Und gleich meckert der Siegert wieder: der TikTok-Food-Trend-Link is kaputt 😞