davaidavai #129
Geralds subjektiv besten Marketing & Gedöns Links der letzten zwei Wochen. 100% privat und definitiv AI-frei.
davaidavai 129 - heute mal am Mittwoch statt am Sonntag.
Meinen üblichen Versandtermin habe ich nach hinten geschoben, weil bei mir nach +300 iranischen Raketen auf Israel am Sonntag Morgen die Prioritäten woanders lagen.
Gut, dass der Angriff der Mullahs in Israel nur begrenzt Schaden anrichtete. Dass es ausgerechnet ein siebenjähriges Beduinen-Mädchen aus der Negev Wüste war, die das einzige schwere Opfer dieses Angriffs war, macht das Ganze nur noch zynischer. Und wer sich fragt: Warum ist das hier überhaupt Thema? Antwort: Als studierter Politologe bin ich nebenbei harter Sicherheitspolitik-Nerd und führe mit Neue Bellona noch einen anderen Newsletter rund um das Thema.
Zurück zu davaidavai - und damit der einfacheren Marketing Welt. Ich habe gerade das Gefühl, dass sich die zentral geplante und gestaltete Welt von Marken und Kommunikation immer mehr an Technologie & AI reibt. Momentan scheint es einerseits wieder viele “große Spots” zu geben, also sehr klassische Marketingarbeit. Während sich parallel die Welt immer mehr um AI zu drehen scheint - oft auch in einer Wechselwirkung. Ist das eine Reaktion auf die Transformation?
Vorstellbar ist es. In der dauernden Transformation, in der wir leben, wäre es absurd, wenn sich die menschengemachte Kreativwirtschaft einfach in AI überführen ließe. Es wäre, ehrlich gesagt, auch schade. Und deshalb erleben wir vielleicht in der Competition von menschlicher und technischer Kreativität vielleicht einfach ein paar interessante Ausschläge auf beiden Seiten: Wunderschön geschossene, klassische Hennessy Spots und eine kambrische Explosion an Technologie.
Viel Spaß mit dieser Ausgabe!
P.S. Wer diesen Newsletter weiterempfiehlt, bekommt ganz viele Karmapunkte direkt übers Internet von mir geschickt.
Strategien
Wie und warum man langfristige Marketing-Entscheidungen trifft und exekutiert.
Mut (Martin Weigel)
👨🎨 “Playing it safe can be the most costly thing in the world”, sagte Bill Bernbach einmal. In diesem schon etwas älteren Artikel des wahnsinnig schlauen Ex-Wieden (jetzt BBDO) CSO Martin Weigel plädiert dieser für einen anderen Blick auf kreativen Mut. Es brauche Mut, um struppige, unorthodoxe Ideen in Organisationen zu verkaufen, die darauf nicht warten. Es mit Stakeholdern und “Politik” aufnehmen zu können, die eigentlich erstmal keine besonders kreative Lösung umsetzen wollen, ist in sich Kreativität, die zu wenig honoriert würde in der Kreativwirtschaft.
Wozu Marken Kreativ-Strategien brauchen (Ana Andjelic)
🎨 Die nicht minder wahnsinnig schlaue
macht in ihrem Text einen guten Punkt, wenn sie sagt, dass der Ruf nach mehr Business Kreativität richtig ist, dass es dabei aber nicht so sehr um die Kreativität geht, an die man in Agenturen denkt. Die Welt hat Ideen genug. Es braucht kreativere Ansätze zu Wertschöpfung und Business Modellen. Und es braucht entsprechende Strategien dazu - ein Ansatz, den wir übrigens auch bei unserer Consultancy superspring so verfolgen.Modus Operandi
Vom (Zusammen)-Arbeiten in der Kreativwirtschaft.
Wenn man zu wichtig war, um noch normal zu arbeiten (LinkedIn)
🔨 Kevin Drew Davis ist ein amerikanischer Kreativer, der eine unmögliche Karriere-Enscheidung traf: Er wollte einen Schritt zurückgehen. Er hatte eigentlich alles richtig gemacht und war bei ein paar großen Agenturen immer die Karriereleiter hochgefallen. Irgendwann stellte er fest, dass er keine Lust mehr hatte, über Excel Sheets zu hocken und wollte lieber wieder kreativ wirken. Aber das war nicht so einfach. Er war einfach zu groß gewesen für normale Kreativarbeit.
The Big Reset (Lookup)
📅 Jahresplanungen sind in fast allen Bereichen Modifikationen des letzten Jahres mit ein paar Modifikationen. Lookups Impuls: Warum Jahresplanungen nicht zur Basis echter Neuplanung zu machen im Sinne eines großen Resets? Also mal so richtig neu denken, statt alles in Grün? Wow. Krasser Gedanke. Und ein Framework dafür schlagen sie auch vor.
Wie Vice Media endete (The Verge)
🤡 In besseren Zeiten war Vice der Hot-Shit Agentur Marke schlechthin. Einst mit 5,7 Milliarden Dollar bewertet, kündigte Vice Media im Februar 2024 an, seine Nachrichtenredaktion zu schließen und hunderte Mitarbeiter:innen zu entlassen. Im Mittelpunkt des Dramas: Mitgründer Shane Smith und ein Führungsteam, das scheinbar mit Missmanagement und Gier vor allem eigene Interessen im Sinn hatte. “Clown Show” nennt The Verge den Kollaps. Traurig.
Creative & Aktivierung
Subjektiv für gut befundene Kreativproduktions-Stunts der letzten zwei Wochen
Hennesy “Made for More” (Creative Review)
🥃 Die Likörmacher von Hennesy sind jetzt bei meinen alten Amsterdamer Nachbarn von “Wieden” in Amsterdam. Und wie immer gilt: Zu W&K kann man einfach für gute, große Kommunikation hingehen. Die Kampagne besteht aus wahnsinnig sinnfreien, toll geschossenen Bildern, die einfach toll aussehen und den Sprit richtig modern inszenieren. I like.
Hiscox: “Desaströs” (Clio)
🧯Da sag noch einer, dass B2B langweilig sein muss. HISCOX Kunde bin ich nämlich auch schon länger. Und die Kampagnenbotschaft verfängt bei mir als Selbständiger total: “Was, wenn dir einer schlechte Arbeitsergebnisse vorwirft, du aber anderer Meinung bist?” Die Kampagne wirkt ein wenig wie zu den Hochzeiten von Direct Mailings in den 90ern. Dafür gibt es Extrapunkte. Und noch mehr Extrapunkte gibt es dafür, dass auch dieses Ding wieder von Uncommon in UK kommt, die gerade zu UKs Lieblingsagentur mutieren.
“Steel of India” (Jindal)
📺 Und wo wir gerade bei B2B sind, passt ja auch dieser stimmungsvolle, schnell geschnittene Spot für die Jindal Gruppe - einer von Indiens größten Stahlkonglomeraten. Eine tolle Idee aus einer Ecke, aus der man es hierzulande nicht erwartet. Gemacht wurde das Ganze von Early Man Film in Mumbai. Ja, es fühlt sich ein bisschen anders an als das, was man sonst so sieht. Und das ist auch gut so.
“Decades of Confusion” (Loewe)
📺 Die wahrscheinlich lustigste Frau der Welt, Aubrey Plaza, in einem Film über Dekaden falsch beantworteter Fragen rund um den Namen Loewe. Sehr witziger Take von LOEWE und damit auch etwas, was man gar nicht mehr so oft sieht: Humor in der Werbung. Ja, Fellow Kids, sogar mit gut getexteter Selbstironie. 🧐🤯🤫 Das haben wir manchmal im 20. Jahrhundert so gemacht, bevor wir alle 3 Sekunden Prerolls für Protein Shakes zu drehen begannen.
“The Code” (Dove)
🌼 Und dann ist da natürlich noch der Spot, der diese Woche wohl am meisten herum ging. Für Dove ist das Thema übertriebener AI Schönheitsideale natürlich Home Turf. Und jetzt kommen wir zum Spot. Natürlich ist das eine sensationelle Purpose-getriebene Kommunikationsplattform. Natürlich ist AI die “Next Frontier” im Kampf um wahre Schönheit. Der Spot ist richtig und super. I get it. Aber warum die am Schluss diesen merkwürdig formulierten Prompt mit dem Logo so schlecht geschrieben und kompliziert getextet haben: 🤷♂️ Alles toll. Aber das Ende fand ich leider etwas unter dem Niveau des Restfilms. Meine Meinung.
Design
Das, was gestaltet wird und lange wirkt.
Lego hat eine neue Brand Identity (DesignBoom)
🧱 Lego war in meiner Kindheit noch ein Marke, die lustige Mini Bauklötze herstellt. Mittlerweile ist daraus ein gewaltiges, multidimensionales Entertainment-Ökosystem geworden, das von AI-Experiences bis Computer Games alles herstellt - mit und ohne Partner. Man kann sich vorstellen, dass der Relaunch der Brand Identity von Lego eine gewisse Aufgabe für Interbrand war. Toll gelöst.
AI
Eine Mini-Auswahl an Texten über Künstliche Intelligenz, die ich aktuell gut fand.
Wie entwickelt sich SEO, je mehr Google Richtung AI geht? (WOB)
🔬Super Artikel vom WOB Blog, der die Frage diskutiert, wie sich SEO eigentlich entwickeln muss, wenn Google immer mehr AI in seine Suchergebnisse implementiert. Zugegeben: Vieles ist eher noch Kristallkugel, aber ein paar Indikatoren sind da. SEO wird wohl nicht langweiliger werden. Und die Auswirkungen sind schon jetzt mit jedem Core Update spürbar.
“Hier liegt das Internet, ermordet durch generative KI” (Eric Hoel)
🤖 “Jetzt, da generative KI die Kosten für die Produktion von Bullshit auf nahezu Null gesenkt hat, sehen wir die Zukunft des Internets ganz klar: eine Müllhalde.” Ich muss es zugeben: Ich spiele und arbeite wahnsinnig gerne mit AI. Aber vieles in diesem brillianten Rant von Erik Hoel stimmt einfach. AI macht viele Dinger schneller und einfacher. Aber das haben Satelliten auch gemacht und der nahe Erdorbit gleicht trotzdem der Welt der Ludolfs.
Next Stop, Paris: wenn AI Filme schreibt und dreht (t3n)
🥐 Und wenn wir gerade beim Ranten sind (also, ich). Eine Sache habe ich nie so ganz verstanden: Auch wenn sie es tun. Warum werben Menschen damit, dass sie Kreativ-Dienstleistungen “jetzt in AI” erbringen? Grundsätzlich macht AI kreative Jobs (je komplexer sie sind) meistens erstmal schneller aber gerade bei komplexen Aufgaben im Ergebnis oft nicht zwingend besser schlechter. Zumindest in der Vollautomatisierung. Schön zu beobachten ist das anhand von Next Stop, Paris, dem hier verlinkten Versuch, einen AI-generierten Spielfilm zu drehen. Ich freue mich schon darauf, ihn zu verpassen.
Vintage
Nicht immer ganz zeitgemäße Kommunikation aus der bösen alten Zeit.
Plattformen
Was ich in Sachen Plattformen und Social Networks aktuell interessant finde.
X wieder ganz vorne in Sachen Israel-Iran Desinformation (ISD)
🧟 Das Institute for Strategic Dialogue schnitt am Wochenende Konversationen auf X mit. Dabei zeigte sich einmal mehr, was für eine toxische Klärgrube die Plattform bei jedem politischen Konflikt ist: Massen an AI-generiertem Fake-Content, verteilt von “Premium Accounts” waren einmal mehr in kürzester Zeit in Umlauf. X ist mittlerweile ein Tool der Hybrid-Kriegsführung von nicht nur einer Diktatur.
Und noch mehr X (Mashable)
🤦 Twitter in X umzubenennen war aus mehr als nur einem Grund ziemlich dumm. Unter anderem, weil die meisten verbliebenen User:innen immer noch Twitter schreiben. Technisch zwingt Musks toxische Plattform User:innen jetzt zum neuen Branding. Jedes Posting, dass das Wort Twitter enthält, wird automatisch in X umgeschrieben. Dumm nur, dass das auch URLs und Eigennamen transkribiert.
Eine Liste an Wordpress Influencern (Wordpress)
🔨 To whom it may concern: Eine recht umfassende Liste an Leuten, die sich mit Wordpress auseinandersetzen und ihr wissen z.B. auf Youtube teilen. Ich mag sowas. Auch, weil ich Wordpress mag.
Schlaue Karten: Europa in der Kreidezeit
Was war hier eigentlich als der T-Rex röhrte?
In der Kreidezeit - der Blüte und Endzeit der Dinosaurier - war Europa ein Archipel aus Inseln. Eine riesige Fläche an eher warmen Inseln, die nach heutigem Maßstab super zum Island Hopping eingeladen hätte. Richtig große T-Rexe findet man deshalb eher in Nordamerika und Asien. In Europa setzten sich zum Schluss der Dinozeit eher kleine Exemplare durch, die auf kleinen Inseln leben konnten. Außer in Rumänien, wo auf der großen Insel Hatzeg mit dem Hatzegopterix ein Horrorstorch von der Größe einer Giraffe lebte.
Panorama
Alles, was ich unterhaltsam oder schlau finde aber sonst nirgendwo reinpasst.
Meine Zeit mit Kurt Cobain (NewYorker)
🎸 Der Tod Kurt Cobains vor 30 Jahren war einer der definierenden Momente der (meiner) Generation X. Persönlich und aus (pop)kultureller Sicht war dieser 5. April 1994 ein Wendepunkt. Davor gab es ein Alt, danach gab es ein Neu. Musikjournalist Michael Azerrads kam damals - durch Zufall dem selbstzerstörerischen Rockstar sehr nahe. Über diese Zeit hat er einen tollen Long Read geschrieben. Dringende Leseempfehlung.
Der letzte Telefonzellen-Maler von London (Mini-Doku)
☎️ Irgendwann, vor einigen Jahren, entschied sich der Londoner Maler Robert Pammen, einer der vielen roten Telefonzellen in London einen neuen Anstrich zu geben. Daraus ist jetzt eine Art Monopol auf die Pflege der letzten roten Telefonzellen Londons geworden.
Todesarten in London 1632 (MyLondon)
💀 Und wo wir gerade bei London sind: Woran starb man eigentlich im 17. Jahrhundert in der britischen Hauptstadt? “Suddenly” war bei 62 Personen die Antwort. “Kil’d by several accidents” oder “Bit with a mad dog” eben auch. Das Leben war roh und rau damals. Diese Sterbestatistik von 1632 unterstreicht das nur.
Nick Cave: My Muse Is Not A Horse (Gelesener Brief)
✉️ Vor ein paar Tagen habe ich diesen wundervollen Clip mal wieder gesehen und bin immer wieder überrascht, wie wenige Nick Caves Brief an MTV kennen. In einer Welt, in der ständiges Vergleichen, Pokale, Awards und Bestenlisten unser Dasein bestimmen, sagt uns der ewig großartige Nick Cave mal wieder, was eigentlich Sache ist. Film ab.
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